(Prejus) Die Anfechtungstatbestände der Insolvenzordnung geben dem Insolvenzverwalter eine Handhabe, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene, ungerechtfertigte Schmälerungen der Insolvenzmasse rückgängig zu machen. Nach § 131 InsO kann eine Rechtshandlung, die in den letzten drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag und damit in der sog. „kritischen Zeit“ erfolgt ist, u. a. dann angefochten werden, wenn damit die Forderung eines Insolvenzgläubigers erfüllt worden ist, ohne dass er dies „in der Art“ beanspruchen konnte. Dann liegt eine sog. inkongruente Deckung vor. Darum sind Zahlungen, die Arbeitnehmer über das Konto ein
es Dritten und nicht über das Konto ihres Arbeitgebers erhalten, im Allgemeinen inkongruent. Ob Inkongruenz vorliegt, bestimmt sich jedoch nicht nach dem im Arbeitsleben üblichen Zahlungsweg, vielmehr ist insoweit auf das konkrete Arbeitsverhältnis abzustellen. Eine Entgeltzahlung, die über das Konto des Sohnes des späteren Schuldners erfolgt, kann deshalb ausnahmsweise kongruent und nicht nach § 131 InsO anfechtbar sein, wenn es sich bei diesem Konto um das Geschäftskonto des Arbeitgebers handelt und das Entgelt während des gesamten Arbeitsverhältnisses über dieses Konto gezahlt worden ist.
Der Beklagte war bei dem Schuldner als Buchhalter beschäftigt. Über das Vermögen des Schuldners wurde auf Antrag vom 18. Februar 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Schuldner wickelte vom Beginn seiner Geschäftstätigkeit an seinen gesamten geschäftlichen Zahlungsverkehr über ein Konto ab, das von seinem Sohn eröffnet worden war. Dies geschah im Wege des Onlinebanking, für das ihm sein Sohn die erforderlichen Daten zur Verfügung gestellt hatte. Der Sohn des Schuldners nutzte dieses Konto selbst nicht. Die Entgeltansprüche des Beklagten wurden seit Beginn des Arbeit
sverhältnisses über dieses Konto erfüllt. Dem Beklagten war bekannt, dass es sich dabei um ein Konto des Sohnes
handelte. Am 4. Dezember 2008 sowie am 12. Januar und 5. Februar 2009 erhielt der Beklagte in der üblichen Weise über das Konto des Sohns des Schuldners insgesamt 1.897,00 Euro als Entgelt für November 2008 bis Januar 2009. Der Kläger hat diese Zahlungen ua. nach § 131 InsO angefochten. Er hat geltend gemacht, die Zahlungen hätten eine inkongruente Deckung bewirkt, weil sie über das Konto eines Dritten erfolgt seien.
Die Vorinstanzen nahmen an, die Zahlungen seien kongruent gewesen, und wiesen die Klage deshalb ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.
Die Entgeltzahlungen erfolgten durch den Schuldner selbst als Arbeitgeber in der für das Arbeitsverhältnis üblichen Weise. Der Sohn war an diesen Zahlungen – über die Einrichtung des Kontos hinaus – nicht beteiligt.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Oktober 2015 in dem Verfahren 6 AZR 538/14.
Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 10. April 2014 in dem Verfahren 8 Sa 39/14.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgericht Nr. 48/15.