(prejus) Macht eine Kundin in einem Supermarkt einen Rückwärtsschritt und bringt hierbei eine Kundin zu Fall, die an ihr vorbei gehen will, kann es gerechtfertigt sein, beide Beteiligten hälftig für den bei der Kollision entstandenen Schaden haften zu lassen. Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06.06.2016 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert.
Die heute 63 Jahre alte Klägerin aus Dortmund und die Beklagte aus Dortmund suchten im April 2012 als Kundinnen einen Supermarkt am Körner Hellweg in Dortmund-Körne auf. In einem Gang des Supermarktes machte die Beklagte beim Abbiegen von einem Haupt- in einen Seitengang einen Schritt rückwärts, ohne sich zuvor umzusehen. Nach ihren Angaben wollte sie eine ihr entgegen kommende Verkäuferin mit einer sog. Ameise nebst einer Palette vorbeilassen. Durch den Rückwärtschritt kam es zum Zusammenstoß mit der Klägerin, die aus einem Seitengang kommend die Beklagte an der Seite ihres Rückens passieren wollte. Die Klägerin stürzte und zog sich den Bruch ihres Ellenbogens zu, der operativ versorgt werden musste. Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin von der Beklagten – nach vorgerichtlich gezahlten 2.800 Euro – weiteren Schadensersatz verlangt, unter anderem ein weiteres Schmerzensgeld von 9.700 Euro und die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden.
Nach der Entscheidung des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm war die Schadensersatzklage im Hinblick auf den Feststellungsantrag teilweise erfolgreich.
Dem Grunde nach haftet die Beklagte, so der Senat, zu 50 % für den der Klägerin entstandenen Schaden. Die Beklagte habe die Klägerin schuldhaft verletzt, wobei der Klägerin allerdings ein hälftiges Mitverschulden anzurechnen sei.
Die Beklagte habe die Körperverletzung der Klägerin durch ein schuldhaftes Verhalten herbeigeführt. Sie sei aus dem Hauptgang des Supermarktes zunächst in Richtung eines Seitenganges abgebogen, habe dann ein Schritt zurückgemacht, ohne sich zuvor umzusehen, und habe dabei die Klägerin angestoßen, die hierdurch gestürzt sei.
Dabei habe die Beklagte schuldhaft gehandelt und sich nicht lediglich sozialadäquat verhalten. Wegen der in einem Supermarkt bestehenden Kollisionsgefahr mit anderen Kunden oder von diesen benutzten Einkaufswagen bewege sich ein verständiger Kunde im eigenen Interesse nicht rückwärts von einem Regal in den Gang zurück, ohne sich zuvor umzuschauen. Jedenfalls müsse ein Besucher, der sich rückwärts in die Verkaufsgänge zurückbewege, mit Hindernissen verschiedenster Art rechnen, weil diese dem Treiben im Supermarkt immanent seien. Auf diese habe sich der Kunde einrichten, was die Beklagte versäumt habe, weil sie – ohne zuvor zurück zu sehen – zurückgegangen sei.
Die Klägerin treffe ein hälftiges Mitverschulden an dem Unfall, weil sie ebenso wie die Beklagte zu der Kollision beigetragen habe. Sie habe ihrerseits nicht auf die Bewegungen der sich in ihrer Nähe bewegenden Beklagten geachtet, als sie diese passiert habe. Hierdurch habe sie ebenso wie die Beklagte gegen die beschriebenen Sorgfaltspflichten eines Kunden beim Besuch eines Supermarkts verstoßen.
Unter Berücksichtigung des Mitverschuldens und der im Prozess bewiesenen Verletzungsfolgen stehe der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 Euro sowie ein Haushaltsführungsschaden von 500 Euro zu. Da sie vorgerichtlich bereits einen höheren Geldbetrag erhalten habe, sei ihr kein weiterer Zahlungsbetrag zuzusprechen. Deswegen sei lediglich der Feststellungsantrag (teilweise) erfolgreich.
Rechtskräftiges Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 06.06.2016 (6 U 203/15)
Quelle: Aktuelle Presseerklärung weiterer NRW-Justizeinrichtungen vom 22.08.2016.