(prejus) Jobcenter ist zur Zahlung von Leistungen verpflichtet. Trotz Zweifeln an der Erwerbsfähigkeit sei eine Verweisung an den Sozialhilfeträger nicht zulässig. In einem Eilverfahren hat der 9. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen ein Jobcenter zur Zahlung von Leistungen verpflichtet. Trotz Zweifeln an der Erwerbsfähigkeit sei eine Verweisung an den Sozialhilfeträger nicht zulässig.
Der 1976 geborene Antragsteller ist Italiener und lebt schon seit vielen Jahren in Deutschland. Er ist Inhaber eines Daueraufenthaltsrechts und damit grundsätzlich berechtigt, Grundsicherung für Arbeitsuchende („Hartz IV“) zu erhalten. Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts stehen ihm zzt. nicht zur Verfügung. Deshalb hat er bei dem Jobcenter Herne Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beantragt.
Das Jobcenter zog ein arbeitsmedizinisches Gutachten der Agentur für Arbeit bei, in dem ausgeführt wurde, der Antragsteller sei nicht erwerbsfähig. Daraufhin verwies das Jobcenter den Antragsteller auf die Stadt Herne als Sozialhilfeträger, der für nicht erwerbsfähige Personen zuständig ist. Auch dieser lehnte jedoch die Erbringung von existenzsichernden Leistungen ab.
Der 9. Senat hat das Vorgehen des Jobcenters für rechtswidrig befunden. Zwar sei es zutreffend, dass Leistungen nach dem SGB II Erwerbsfähigkeit voraussetzen. Bis zur Feststellung einer Erwerbsunfähigkeit habe das Jobcenter jedoch vorläufig Leistungen zu zahlen. Durch diese gesetzliche Verpflichtung solle verhindert werden, dass ein Antragsteller bei fraglicher Erwerbsfähigkeit zwischen die Stühle gerate und gar keine Leistungen, weder vom Jobcenter noch vom Sozialamt, erhalte. Das Jobcenter dürfe fehlende Erwerbsfähigkeit nicht annehmen, ohne zuvor den Sozialhilfeträger eingeschaltet zu haben. Das Jobcenter müsse mit dem Sozialamt vertrauensvoll zusammenarbeiten.
Es sei verpflichtet, dem Sozialhilfeträger das Gutachten zu übermitteln, anzufragen, wie dieser die Erwerbsfähigkeit beurteilt und evtl. eine angemessene Frist zur abschließenden Äußerung zu setzen. Erst wenn diese abgelaufen sei, ohne dass der Sozialhilfeträger sich geäußert hat, sei das Jobcenter berechtigt, „Hartz IV“ zu verweigern und den Betroffenen auf das Sozialamt zu verweisen. Im Zweifel sei das Jobcenter entsprechend den gesetzlichen Vorgaben verpflichtet, ein Gutachten des Rentenversicherungsträgers einzuholen, der über die Erwerbsfähigkeit verbindlich entscheidet.
Da ein solches Verfahren nicht stattgefunden hatte, hat der Senat das Jobcenter zur Zahlung verpflichtet. Beschluss vom 09.06.2016 – L 9 SO 427/15 B ER.
Quelle: Aktuelle Presseerklärung weiterer NRW-Justizeinrichtungen vom 23.06.2016.