(prejus) Der Bundesgerichtshof hat am 25.11.2015 über die Frage entschieden, ob die in einem formularmäßigen Stromlieferungsvertrag mit Sonderkunden enthaltene Preisanpassungsklausel einer Klauselkontrolle nach § 307 BGB standhält.
Der Sachverhalt:
Die Parteien stehen als Stromanbieter im Wettbewerb. Die Beklagte verwendet in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (im Folgenden: AGB) unter der Überschrift „Preise und Preisanpassung/Steuern, Abgaben und sonstige hoheitlich auferlegte Belastungen“ unter anderem folgende Regelungen, welche die Klägerin hinsichtlich der darin enthaltenen Preisanpassungsklausel für intransparent und damit zugleich wettbewerbswidrig hält:
„6.1. Der Gesamtpreis setzt sich aus der Servicepauschale, dem Arbeitspreis und ggf. einem Leistungspreiszuschlag zusammen. Er enthält den Energiepreis, die Kosten für Messstellenbetrieb und Messung […] sowie für die Abrechnung, die aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) folgenden Belastungen, das an den Netzbestreiber abzuführende Netzzugangsentgelt […] inklusive der vom Netzbetreiber erhobenen Zuschläge nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) sowie die Konzessionsabgaben, die Offshore-Haftungsumlage und die § 19 Sonderkundenumlage[…].
6.6. Der Lieferant wird die auf der Grundlage dieses Vertrages zu zahlenden Preise darüber hinaus nach billigem Ermessen der Entwicklung der Kosten anpassen, die für die Preisberechnung maßgeblich sind. Eine Preiserhöhung kommt in Betracht und eine Preisermäßigung ist vorzunehmen, wenn sich z.B. die Kosten für die Beschaffung von Energie oder die Nutzung des Verteilernetzes erhöhen oder absenken oder sonstige Änderungen der energiewirtschaftlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer veränderten Kostensituation führen (z.B. durch die Einführung von Netzzugangsentgelten für Einspeisungen, Änderungen der Belastungen nach dem EEG oder KWKG). Steigerungen bei einer Kostenart, z.B. den Strombezugskosten, dürfen nur in dem Umfang für eine Preiserhöhung herangezogen werden, in dem kein Ausgleich durch etwaig rückläufige Kosten in anderen Bereichen, etwa bei den Netz- und Vertriebskosten, erfolgt. Bei Kostensenkungen, z.B. der Strombezugskosten, sind vom Lieferanten die Preise zu ermäßigen, soweit diese Kostensenkungen nicht durch Steigerungen in anderen Bereichen ganz oder teilweise ausgeglichen werden. Der Lieferant wird bei der Ausübung seines billigen Ermessens die jeweiligen Zeitpunkte einer Preisänderung so wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen werden als Kostenerhöhungen, also Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden wie Kostenerhöhungen.
6.7. Änderungen der Preise nach Ziff. 6.6 sind nur zum Monatsersten möglich. Der Lieferant wird dem Kunden die Änderung spätestens 6 Wochen vor dem geplanten Wirksamwerden in Textform mitteilen. Im Fall einer Preisänderung hat der Kunde das Recht, den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung in Textform zu kündigen. Hierauf wird der Kunde vom Lieferanten in der Preisänderungsmitteilung gesondert hingewiesen. Im Fall der Kündigung wird die Preisänderung gegenüber dem Kunden nicht wirksam. Im Übrigen bleibt § 315 BGB unberührt.“
Die u.a. auf Unterlassung der Verwendung der aus Ziffer 6.6. ersichtlichen Preisanpassungsklausel gerichtete Klage hat in der Berufungsinstanz Erfolg gehabt.
Zu den Entscheidungsgründen des Bundesgerichtshofs:
Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat hat entschieden, dass die Preisanpassungsklausel in Ziffer 6.6. der AGB entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht schon deshalb gegen das in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB* verankerte Transparenzgebot verstößt, weil darin nicht auf die Möglichkeit hingewiesen wird, künftige Preisanpassungen gemäß § 315 Abs. 3 BGB** gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen zu lassen. Denn das Transparenzgebot gebietet es nicht, die aus dem Gesetz – hier § 315 Abs. 3 BGB – folgenden Rechte der Vertragsparteien ausdrücklich oder vollständig zu regeln oder den Vertragspartner darüber zu belehren. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Beklagte durch ihre Klauselgestaltung insoweit die Gefahr von Fehlvorstellungen ihrer Kunden hervorgerufen oder verstärkt hat.
Auch sonst wird die genannte Preisanpassungsklausel den Anforderungen des Transparenzgebots gerecht. Sie stellt insbesondere den Anlass und den Modus der Entgeltänderungen so transparent dar, dass der Kunde die Änderungen anhand klarer und verständlicher Kriterien vorhersehen kann. Denn nicht nur der Anlass einer Preisanpassung, sondern auch die den Anlass prägenden Kosten werden ihrer Art nach in der Klausel selbst in ausreichender Weise konkretisiert. Ebenso enthält die Klausel die erforderlichen grundlegenden Informationen zur Berechnung künftiger Preisanpassungen. Dazu ist es nicht erforderlich, dass sie eine abschließende Aufzählung, Erläuterung und Gewichtung sämtlicher für die Preisberechnung maßgeblicher Kostenfaktoren enthält. Derart ins Einzelne gehende Angaben sind einem Versorgungsunternehmen in einer Form, welche gleichzeitig auch die für einen durchschnittlichen Kunden notwendige Verständlichkeit und Übersichtlichkeit wahren muss, weder möglich noch zumutbar und auch sonst mit dem Charakter einer nach billigem Ermessen ausgestalteten Leistungsvorbehaltsklausel nicht zu vereinbaren.
Urteil des BGH vom 25. November 2015 in dem Verfahren VIII ZR 360/14.
Vorinstanzen:
OLG München – Urteil vom 24. Juli 2014 – 29 U 1466/14
LG Augsburg – Urteil vom 18. März 2014 – 2 HK O 3775/13
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Quelle: Mitteilung der BGH-Pressestelle Nr. 193/2015 vom 25.11.2015.