(prejus) Kommt es für die Berechnung von Gebühren für Kindertagesstätten auf die Höhe des von den Eltern erzielten Einkommens i.S.d. Sozialhilferechts (§ 82 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches
Zwölftes Buch – SGB XII) an, so gehört zu diesem Einkommen auch der als öffentlich-rechtliches Darlehen gewährte Teil der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 17.12.2015 entschieden.
Der Sohn der Kläger wurde in einer von der beklagten Stadt betriebenen Kindertagesstätte betreut. Dafür zog die Beklagte die Kläger zu einer Teilnahmegebühr heran. Für die Ermittlung der Höhe der Teilnahmegebühr kommt es unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit auf die Höhe des anrechenbaren Familieneinkommens an. Hierzu zählte die Beklagte auch den der Klägerin als Darlehen gewährten Teil der individuellen Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Die Klägerin bezog als Studierende solche Leistungen, die ihr jeweils zur Hälfte als Zuschuss und als öffentlich-rechtliches Darlehen bewilligt wurden. Widerspruch, Klage und Berufung der Kläger gegen die Höhe der Teilnahmegebühr blieben insoweit ohne Erfolg.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zurückgewiesen. Einkommen i.S.d. für die Feststellung der zumutbaren Belastung mit der Gebühr entsprechend geltenden § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind grundsätzlich Einkünfte in Geld oder Geldeswert, die zu einem wertmäßigen Zuwachs bei demjenigen führen, der solche Einkünfte hat. Daran fehlt es regelmäßig, wenn die Einkünfte von vornherein mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet sind. Zwar ist auch das als Teil der individuellen Ausbildungsförderung gewährte öffentlich-rechtliche Darlehen grundsätzlich, wenngleich unter günstigeren Bedingungen, zurückzuzahlen. Seine Berücksichtigung als Einkommen i.S.d. § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist mit Blick auf die mit der individuellen Ausbildungsförderung verknüpften Ziele und die Ausgestaltung des Förderungssystems gleichwohl gerechtfertigt. Durch die Förderung seiner Ausbildung wird der Auszubildende typischerweise in die Lage versetzt, einen Mehrwert zu generieren, der sich in dem Abschluss der Ausbildung und der Aufnahme einer qualifizierten Berufstätigkeit mit besseren Verdienstmöglichkeiten widerspiegelt und der die Erwartung rechtfertigt, dass eine Rückzahlung des Darlehens innerhalb einer angemessenen Zeit ohne Beeinträchtigung des Lebensunterhalts zumutbar ist. Das Darlehen stellt sich insoweit als eine Art Vorfinanzierung der verbesserten Einkommensaussichten dar. Die im Ausbildungsförderungsrecht angelegte Aussicht auf diesen Mehrwert rechtfertigt es, das öffentlich-rechtliche Darlehen als Einkommen zu behandeln.
BVerwG 5 C 8.15 – Urteil vom 17. Dezember 2015
Vorinstanzen:
OVG Schleswig, 3 LB 1/12 – Urteil vom 27. November 2014 –
VG Schleswig, 15 A 171/09 – Urteil vom 28. April 2011 –
Quelle: Pressemitteilung Bundesverfassungsgericht vom 17.12.2015.