(prejus) Die Verurteilung im spanischen Schnellverfahren muss durch deutsche Gerichte bei entsprechendem Vortrag näher aufgeklärt werden. Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, die sich gegen die Eintragung einer spanischen Schnellverurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung in das Bundeszentralregister richtete. Der Beschwerdeführer ist in seinem Grundrecht auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) verletzt, weil das Ausgangsgericht die zur Verurteilung führenden Umstände nicht ausreichend aufgeklärt und dessen Vorbringen, das in das Bundeszentralregister eingetragene ausländische Strafurteil sei unter Verstoß gegen verfahrensrechtliche Mindeststandards zustande gekommen, nicht ausreichend geprüft hat.
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer wurde am 16. Dezember 2010 von einem Strafgericht in Sevilla (Spanien) zu einer Geldstrafe sowie zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde in Deutschland in das Bundeszentralregister eingetragen, wovon der Beschwerdeführer erst nach Beantragung eines Führungszeugnisses Kenntnis erlangte. Gegen diese Eintragung machte der Beschwerdeführer erfolglos Einwendungen beim Bundesamt für Justiz und beim Bundesministerium der Justiz geltend, wobei er schwere rechtsstaatliche Mängel des zu seiner Verurteilung führenden spanischen Schnellverfahrens rügte. Sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieb ebenfalls erfolglos. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer vornehmlich die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) und die Verletzung seines Grundrechts auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG).
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Der Beschwerdeführer ist in seinem Grundrecht auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verletzt.
1. Art. 19 Abs. 4 GG verleiht dem Einzelnen einen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle, das heißt auf eine umfassende Prüfung des Verfahrensgegenstandes. Um dem Gebot effektiven Rechtsschutzes zu genügen, darf das Fachgericht auf die Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten nur verzichten, wenn Beweismittel unzulässig, schlechterdings untauglich, unerreichbar oder für die Entscheidung unerheblich sind. Dagegen darf es von einer Beweisaufnahme nicht schon dann absehen, wenn die Aufklärung besonders arbeits- oder zeitaufwendig erscheint. Soweit ein Gericht dazu aufgerufen ist, die Entscheidung über eine Eintragung ins Bundeszentralregister auf ihre Vereinbarkeit mit den einschlägigen grundrechtlichen Mindeststandards hin zu überprüfen, darf es seinen Prüfungsauftrag nicht dadurch verengen, dass es die Feststellungen des Urteils auch dann ohne weiteres übernimmt, wenn der Vortrag des Antragstellers konkret Anlass zur Prüfung gegeben hätte.
2. Diesen Anforderungen wird der angegriffene Beschluss nicht gerecht.
Ein Verstoß gegen das Gebot zureichender Sachverhaltsermittlung und damit eine Verletzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG liegt zunächst darin, dass die vom Beschwerdeführer beantragte Beweiserhebung mit Blick auf das zu der Verurteilung führende Verfahren unterlassen wurde. Der Beschwerdeführer hat in folgerichtiger, widerspruchsfreier, konkreter und detailreicher Schilderung dargelegt, inwiefern das Urteil von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht, und dafür auch Beweis angeboten. Vor diesem Hintergrund wäre eine Beweiserhebung veranlasst gewesen, weil die zu beweisenden Tatsachen für die Entscheidung von Bedeutung gewesen wären und die angegebenen Beweismittel geeignet und überdies auch erreichbar waren. Auch wenn das Ausgangsgericht grundsätzlich von der Richtigkeit des spanischen Strafurteils ausgehen konnte, hätte es der substantiierte Vortrag erfordert, die angebotenen Beweise zu erheben. Aus der beschriebenen Erschütterung der Vermutungswirkung durch den Vortrag des Beschwerdeführers und seine Beweisangebote hätte das Ausgangsgericht Konsequenzen ziehen und eine weitere Sachverhaltsaufklärung vornehmen müssen. Der pauschale Hinweis auf die Vermutung der Richtigkeit des spanischen Urteils genügt den aufgezeigten Anforderungen an eine zureichende Sachverhaltsaufklärung hingegen nicht.
Das Ausgangsgericht hat den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG auch dadurch verletzt, dass es der vom Beschwerdeführer angeführten Kritik an der rechtlichen Ausgestaltung und praktischen Handhabung des spanischen Schnellverfahrens nicht nachgegangen ist und eine Aufklärung über die formal-rechtliche Konzeption sowie die tatsächliche Handhabung des Schnellverfahrens unterlassen hat.
3. Das Kammergericht hat zudem den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausformung als Willkürverbot verletzt, da die Würdigung des Vortrags des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar ist.
Beschluss vom 23. Januar 2017 in dem Verfahren 2 BvR 2584/12.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 11/2017 vom 17. Februar 2017.